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Christian Oelemann und Volker Friedrich: Die
Klimperzwillinge
Titel: Die Klimperzwillinge
Autor: Oelemann, Christian
Illustrator: Friedrich, Volker
Deutsche Erstausgabe: Stuttgart: Thienemann,
1999.
Altersklasse: 7+
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Titelbild der dt. Erstausgabe |
Rezension von Jakob Held
Eigentlich sind Franziska und ihr Bruder Geschwister mit einem
Jahr Abstand. Aber oft werden sie, zu beider Leidwesen, für
Zwillinge gehalten. Ihre Ähnlichkeit ist einfach verblüffend.
Beide teilen eine Leidenschaft, sie spielen sehr gerne Klavier.
Leider kommt es oft zu Streit zwischen den beiden, da jeder besser
sein möchte, als der jeweils andere. Da kann es ganz schön
hoch her gehen. Und so kommt es eines Tages zu einem folge schweren
Unfall: Franziska bricht sich im Gerangel zwei Finger. Ausgerechnet,
eine Woche vor ihrem großen Konzert in Düsseldorf, bei
dem sie die Chance hätte, beste Kinder-Klavierspielerin Deutschland
zu werden. Zusammen mit ihrer Musiklehrerin ersinnen die beiden
eine List. Was wäre, wenn ihr Bruder ihre Rolle einnehmen würde.
Als Mädchen verkleidet, für Franziska am Klavier zu spielen?
Zwei Geschwister tauschen aus der Not heraus ihre Geschlechterrollen,
dass sie sich so ähnlich sehen, kommt ihnen dabei zu gute.
Zunächst bekommt der Leser Einblick in die Geschwisterbeziehung
der beiden Protagonisten, welche vorwiegend durch Streit und Konkurrenz
untereinander geprägt ist. Sicherlich durchaus realistisch.
Etwa nach 24 Seiten beginnt die Geschichte, einen Spannungsboden
aufzubauen. Stück für Stück wird geschildert, wie
aus dem Bruder ein Mädchen werden soll, dass seiner Schwester
ähnlich sieht. Im Vordergrund stehen dabei stets äußere
Merkmale, welche mit den Erwartungen, die die Juri und die Festgesellschaft
an das Erscheinungsbild eines Mädchen oder eines Jungen stellt:
Mädchen tragen ein Kleid und Jungen einen Anzug. Da gilt es
zunächst die Frage des Kleides zu klären, dann die Schuhe
und die Haare... Nebenbei wird fleißig Klavier geübt.
Kurz wird am Abendbrotstisch darüber gesprochen, dass dies
alles nur Theater wäre und zu Shakespears Zeiten Frauenrollen
durch Männer gespielt wurden, da die Männer es damals
so gewollt hätten.
Christian Oelemann zeichnet in pragmatisch realistischem Stil das
Bild eines Rollentausches, "wie im Theater". Genderaspekte
werden kaum angesprochen oder reflektiert. Vielmehr erfährt
die Geschlechterwahrnehmung eine stereotype Zementierung, etwa wenn
Erwartungen durch die Mutter formuliert werden, die es zu erfüllen
gilt. Widerstände ihres Sohnes gegen diese äußerliche
Transformation werden mit Kommentaren wie: "stell Dich bitte
nicht so an" abgetan. Auch ist die entscheidende Jury nur von
Männern besetzt - "alles Musikprofessoren". Diese
potentiellen Aufhängepunkte einer differenzierten Betrachtung
werden als gegeben dargestellt. Fragen werden nicht aufgeworfen.
So sehe ich eher die Gefahr der Belustigung an äußeren,
durch den Autor gesetzten Merkmale. Eine Genderdiskussion kann so
leider nicht entstehen.
Stilistisch weist das Buch wenige Besonderheiten auf. Es wird ein
klassischer Spannungsbogen mit Höhepunkt und versöhnlichem
Ende aufgespannt. Es fallen viele Namen von Komponisten und ihren
teilweise schwer zu erlernenden Kompositionen. Immer wieder werden
Wirklichkeitsbezüge in Form von Städtenamen, hergestellt.
So lebt etwa Familie Klimperer in Wuppertal und der Endausscheid
findet in Düsseldorf statt. Die Bebilderung spricht mich persönlich
wenig an, sie unterstreicht aber die Ähnlichkeit der beiden
Kinder.
Alles in allem sind "die Klimperzwillinge" ein Buch,
welches ich für Kinder ab etwa 7 Jahren empfehlen würde.
Aus sich heraus bietet es jedoch keinen Anlass, über Genderaspekte
nachzudenken.
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