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Pija Lindenbaum: Paul und die Puppen

Titel: Paul und die Puppen
Autorin: Lindenbaum, Pija
Illustratorin: Lindenbaum, Pija
Übersetzung aus dem Schwedischen: Kicherer, Birgitta

Deutsche Erstausgabe: Weinheim und Basel: Beltz, 2008.

Altersklasse: 4+

Pija Lindenbaum: Paul und die Puppen
Titelbild der dt. Erstausgabe

Rezension von Torsten Kühler

Paul fühlt sich nicht wohl im Kindergarten, eines Tages schmuggelt er an seinem Vater vorbei ein Barbie mit in den Kindergarten und versucht mit den Mädchen zu spielen, diese aber nehmen ihn nicht für voll und ignorieren ihn, erst als er seine sensible Seite zeigt und seine Barbie leise um Hilfe ruft, wird er in die Mädchengruppe integriert. Dann verkleiden sich alle als Prinzessinnen und während des Spiels stehen auf einmal die anderen Jungen in der Tür, diese aber wollen nur mitspielen und kurz darauf haben dann alle Prinzessinnenkleider an.

Auch dieses Buch spielt mit alten und neuen Rollenbildern, bzw. der Erwartung der LeserInnen. Das starre Rollenbild - Jungen raufen und spielen Fußball, haben kurzgeschorene Haare, Armeehosen und einen starken Vater - wird langsam aufgeweicht, auch wenn es so starr gar nicht gewesen sein kann, wo soll denn Paul sonst die Puppe herhaben?
Das Buch kann ein Ausgangspunkt für Diskussionen und andere Beschäftigung mit Gender-Themen sein, es ist liebevoll illustriert.
Eine kritische Anmerkung hätte ich dann aber noch zum Schluss: Namenlose Figuren sind in modernen Kinderbüchern durchaus häufiger anzutreffen, aber dass die dicke Kindergartenerzieherinn als Tante tituliert wird hätte ich von einem schwedischen Kinderbuch nicht erwartet, dass pädagogische Kindergartenbild des Buches ist so erschreckend, dass ich Pauls anfängliche Abneigung beim Lesen übernommen habe.

 

Rezension von Jakob Held

Paul ist ein guter Fußballspieler. Er hat einen eigenen Ball und einen stolzen Papa. Aber Fußballspielen ist für Paul nicht alles. Puppen mag er auch gerne. Und so möchte Paul heute auch mal mit den Mädchen im Kindergarten spielen, denn er hat seine "Barbie" mitgebracht. Eine ganze Weile übt er sich in Geduld und schaut aus der Entfernung zu, doch dann laden ihn die Mädchen ein, mit ungeahnten Folgen für die restlichen Jungen der Gruppe...

"Paul und die Puppen" ist ein Bilderbuch der schwedischen Autorin Pija Lindenbaum. Text und Illustration stammen von ihr. Das ansprechende Bilderbuch aus dem Jahre 2007 thematisiert auf sensible und phantasievolle Weise, die Bemühungen eines kleinen Jungen aus seinem ihm zugeschriebenen Rollenmuster auszubrechen.

Bereits auf den ersten Seiten werden unmissverständliches Rollenklischee rund um den Protagonisten aufgebaut. Der Vater, dargestellt als übergroßer BodyBuilder, erwartet von seinem Sohn, alleiniges Interesse an Fußball. Die Jungen der Kindergartengruppe fallen durch Aggression und dem Spielen mit Waffen auf. Die Erzieherin, bezeichnet als "die Tante", äußert zwar Einwände, interveniert aber nicht und setzt sich nicht durch. Die Mädchen bleiben zunächst Randerscheinungen und sind aus dem Fokus gerückt. Die Bildsprache des Buches untermauert diese Wahrnehmung durch bedeutungspers-pektivische Darstellung. Während die Jungen groß und dynamisch in den Farben blau und schwarz im Vordergrund zu finden sind, sitzen die Mädchen, konsequent Puppen in der Hand, in einer Bildecke und spielen friedlich. Paul als Protagonist erscheint in seiner schmächtigen Darstellung als schüchtern, besorgt und konträr zu seinen Kameraden. Denn mit seinen Interessen, nämlich auch mal mit seiner Puppe zu spielen, steht er als Junge alleine da. Dann jedoch erlebt der Leser eine aktive Entwicklung des Jungen. Dieser nähert sich den Mädchen an. Dazu muss er eine große Distanz überwinden um in die Welt der Mädchen aufgenommen zu werden. Diese Welt wird zunächst ebenfalls stereotyp bedient. In einer Ecke sitzen die Mädchen neben Herd und Kochtöpfen und lassen ihre Puppen Hochzeit und Kinderkriegen spielen. Im dunklen Bastelraum kurz nach der Mitte des Buches werden diese Stereotypen jedoch sukzessive aufgelöst.
Im direkten bildlichen Sinne ringen hier das archäotypisch männliche, vertreten durch gefährliche Ungeheuer, und das besänftigende weibliche hier in Form von Puppen um ein friedliches Miteinander. In der Folge wird Paul wird von den Mädchen akzeptiert und schließlich verlieren die Puppen an Bedeutung, und bleiben links liegen bleiben. Ihre Funktion als übertragendes, moderierendes Medium zwischen Paul und den Mädchen haben sie damit erfüllt. Im nächsten Schritt verkleidet sich Paul wie selbstverständlich als Prinzessin und und tanzt mit den Mädchen einen Prinzessinnentanz. Zugegeben, das geht ziemlich schnell. Aber gleichzeitig erlebt der Leser ein als selbstverständlich dargestelltes Auflösen von Vorbehalten, als schließlich alle Kinder, auch die rüpelhaften Jungen als Prinzessinnen und Ballerienas verkleidet durch den Kindergarten tanzen, denn immer nur Fußball spielen ist schließlich langweilig.

Und so gelingt es der Autorin, zwar etwas holzschnittartig, aber dennoch eindeutig, den zuvor umrissenen Klischees Alternativen entgegen zu stellen. Diese werden von Kindern sicherlich erkannt und zur Diskussion anregen. Unterstützt werden sie dabei von der emotionalen Bebilderung, welche gut geeignet ist, eine Identifikation mit dem Hauptcharakter Paul zu ermöglichen. Den Lesern wird so, transportiert über das Medium des Spiels, vermittelt, dass kein Kind auf seine geschlechtliche Rolle festgelegt ist und frei entscheiden kann, was es spielen möchte, und welche Wege seine Phantasie einschlagen darf. Das ist die ausgemachte Stärke der Geschichte. Empfehlenswert ist das Buch für konkrete Alltagssituationen im Kindergarten. Es kann eine wertvolle Unterstützung für Kinder bieten, welche sich in einer ähnlichen Situation wir der Protagonist befinden. Auf jeden Fall wäre diese Geschichte sehr gut in der Verkleidungsecke aufgehoben.

 

 

1. Juli 2009
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