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Anne Fine und Gabriele Kernke: Bills neues Kleid
Titel: Bills neues Kleid
Autorin: Fine, Anne
Illustratorin: Kernke, Gabriele
Übersetzung aus dem Englischen: Heller, Barbara
Deutschsprachige Erstausgabe: Zürich:
Diogenes, 1993.
Hiweis: Im Gegensatz zu vielen anderen hier
vorgestellten Büchern handelt es sich nicht um ein Bilderbuch.
Das Buch hat 72 Seiten.
Altersklasse: 8+
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Titelbild der dt. Erstausgabe |
Rezension von Cassy Kloppe
Die Geschichte umfasst sieben Kapitel und handelt über einen
besonderen Tag aus Bills Leben, der eines Morgens bemerkt, dass
er ein Mädchen ist, als ihm seine Mutter ein rosafarbenes,
mit Rüschen verziertes Kleid anzieht.
Es geht um ein Kind, das sich zum ersten Mal damit konfrontiert
sieht eine geschlechtliche Rolle einzunehmen, die es nicht freiwillig
für sich vorgesehen hat. Auf dem Weg zur Schule verhält
sich jeder so wie immer. Keiner, außer ihm selbst, scheint
sich daran zu stören, dass er ein rosa Kleid trägt. In
der Schule macht er verschiedene Erfahrungen, die ihm einige Unterschiede
von 'Mädchen sein' oder 'Junge sein' aufzeigen und gleichzeitig
Fragen dazu aufwerfen. Dieser Tag in der Schule hält auch viele
unangenehme Situationen für ihn bereit, die auf die Einnahme
seiner neuen Identität zurückzuführen sind. Durch
den Perspektivenwechsel und die Erfahrung von Bevorzugung und Benachteiligung
geht er mit einem größeren Verständnis für
Mädchen- und Jungen-typischem Verhalten hervor. Am Ende zieht
ihm seine Mutter das Kleid aus, erschrocken über die Spuren,
Farbflecken, Schuhabdrücke und Risse, die der Tag darauf hinterlassen
hat, und beschließt, ihm nie wieder mit einem Kleid in die
Schule zu schicken. Am Ende schlüpft Bill wie gewohnt in Hemd
und Hosen und freut sich wieder ein Junge sein zu dürfen.
Was mir beim Lesen dieses Buches aufgefallen ist, ist die Tatsache,
dass bis zum Ende des Buches nicht klar wird, wie diese von Bill
erlebte Perspektivenübernahme zustande kommt. Entweder setzt
sich 'Bill' zum ersten mal mit seinem Geschlecht auseinander, welches
letztendlich auf die Veränderung äußerer Gewohnheiten
in Gang gesetzt wird, oder 'Bill' ist in Wirklichkeit ein Mädchen,
das zu für Jungen typischem Verhalten neigt, wie zum Beispiel
Fußball spielen, Jungen-Comics lesen und Hosen tragend. Abgesehen
von diesen Unklarheiten, die beim Lesen etwas Verwirrung im Hinterkopf
stiften, greift das Buch stereotypisierendes Geschlechterverhalten
auf. 'Bill', der sich als Junge identifiziert, stößt
sich durch (wenn auch unfreiwilligen) Einnahme der Mädchenrolle
an dem für Mädchen und Jungen typischen Verhalten und
dem von der Umwelt eingeräumten Nischen, die dieses manifestieren.
'Bill' kommen einige Fragen auf bezüglich diskriminierendem
Verhalten, zum Beispiel, dass Jungen nahezu den kompletten Schulhof
für ihr Fußballspiel in Beschlag nehmen, oder in Schönschrift
bei Mädchen und Jungen mit zweierlei Maß bewertet wird,
oder Jungen weniger Diplomatie beim Durchsetzen ihrer Bedürfnisse
an den Tag legen als Mädchen und Kleider, die keine Taschen
haben, einfach unpraktisch sind.
In dem Buch wird durch bloßes Sichtbarmachen konventioneller
Rollen, genau dieses Rollengefüge gefestigt und unterstützt.
Es sind abgesehen vom Erkennen einiger Unterschiede keine Ansätze
die kreative Lösungen für die von 'Bill' aufgeworfenen
Fragen zu erkennen in Bezug auf Fairness und Gleichberechtigung
in dieser öffentlichen Institution und allgemein betrachtet
in der Gesellschaft. Schade.
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