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Doris Meißner-Johannknecht: Leanders Traum
Titel: Leanders Traum
Autorin: Meißner-Johannknecht, Doris
Deutsche Erstausgabe: Kevelaer: Anrich, 1994.
Hiweis: Im Gegensatz zu vielen anderen hier
vorgestellten Büchern handelt es sich nicht um ein Bilderbuch.
Das Buch hat 118 Seiten.
Altersklasse: 8+
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Titelbild der Erstausgabe |
Rezension von Jakob Held
Leander lebt ohne Vater mit seiner Mutter zusammen. Er besucht
den Hort seiner Schule und fährt in seiner Freizeit am liebsten
mit dem Skateboard in seiner Straße. Schon seit Jahren hat
er einen heimlichen Weihnachtswunsch: er möchte einen Vater
haben, der wirklich für ihn da ist. Und so hat Leander eine
Liste der möglichen besten Vater für sich erstellt. Sein
Lehrer, der immer so lieb zu ihm ist und die Klasse beruhigen kann
ohne zu schimpfen, steht an erster Stelle. Der nette Blumenhändler
Olli belegt Platz zwei und schließlich gibt es da noch Herrn
Ackermann aus der Apotheke mit der neuen Glasfassade, welcher auch
mal mit Leander über den leidigen Hort spricht. Leanders Mutter
möchte von neuen Vätern aber nichts wissen und reagiert
genervt aus Leanders Avancen und kontert mit einem vollen Leben
aus Arbeiten und Sportgruppe.
Bei einem Unfall mit dem Skateboard lernt er die sympathische Puppenrestauratorin
"Daisy" kennen. Diese kümmert sich liebevoll und
sorgsam um ihn. Außerdem hat sie einen äußerst
interessanten Beruf und Leander lernt mit ihr eine Welt kennen,
in der jedes Jahr nach Amerika gereist wird und eine lockere und
entspannte Lebensweise vorherrscht.
Ein Allergieanfall von Leander führt dazu, dass seine Mutter
einer spontanen Reise nach Mallorca zustimmt - zusammen mit Daisy....
In einer Mischung aus kurzen Sätzen und kindlich gemeinter
Umgangssprache erleben wir die Geschichte konsequent aus der Ich
- Perspektive. Monologartige Einschübe, überwiegend in
Frageform, geben kurze, jedoch meist eher angedeutete Einblicke
in die Gedanken- und Gefühlswelt des Protagonisten. Es überwiegt
die Verfolgerperspektive, welche es stellenweise vermag, Spannungsmomente
und Verdichtungen zu erzeugen. Die Geschichte folgt einem klar strukturierten
linearen Prinzip, in Form von Tagesgliederungen, was die Orientierung
beim Lesen erleichtert. Die Erzählweise trägt einen durchgehend
humorvollen Grundton, welcher mitunter ironische Grundzüge
annimmt, von dem ich annehme, dass sie von der beabsichtigten Zielgruppe
des Buches nicht verstanden werden.
Doris Meißner- Johannknecht hat ein Kinderbuch über
die Suche eines Jungen nach einem neuen Vater geschrieben. Wir beobachten
den Hauptakteur bei seinen Versuchen, ein für ihn funktionierendes
Vater - Rollenmodell zu installieren. Dies geschieht im Wesentlichen
durch Ausschlusskriterien, die von Leander eine stückweise
Abarbeitung finden. Leider werden nur wenige Identifikationsmerkmale
angeboten, welche für Leander einen "guten Vater"
ausmachen. Im Wesentlichen sind dies: gut aussehen (und damit Attraktivität
auf seine Mutter ausstrahlen), lieb und nett zu Leander sein, beeindrucken
können (durch eine besondere Fähigkeit) nicht meckern,
bei praktischen Tätigkeiten helfen können (Fahrrad reparieren).
Anhand dieser Merkmale stellt Leander Rangfolgen der Bewertung
zusammen, in welche die von ihm wahrgenommenen Merkmale subsumiert
werden. Ausgehend von dieser "Positivliste " werden klare
Abneigungen formuliert. Es stellte sich mir die Frage, ob dieses
Vorgehen tatsächlich kindgemäß ist; - es wäre
für mich denkbar.
Die Autorin stellt sich deutlich gegen Machoklischees, in dem sie
diese zunächst überspitzt (Schönheitswettbewerb)
und anschließend aus angedeuteter reflektierender Ebene von
Seiten der Mutter demontieren lässt. Leider vermisse ich an
diesem Punkt jedoch eine ausreichende Differenzierung und Auseinandersetzung,
um nachhaltige Denkanstöße anzuregen. So äußerst
Leanders Mutter lediglich eine Abneigung gegen übertrieben
zur Schau gestellte Stereotypisierung von Geschlechtlichkeit, begründet
diese jedoch nicht. Leander kleidet seine jeweilige Zuneigung oder
Ablehnung potentieller Väter gegenüber in, auf den erwachsenen
Leser humoresk wirkende Metaphern. Da ist z.B. die Rede vom "einsamen
Wolf", welcher Gefahr läuft mit dem "gestreiften
Affen" in Konkurrenz treten zu müssen. Ohne Zweifel ist
dies karikierend gemeint, nur bin ich mir nicht sicher, in wie weit
Kinder diesen eher von Erwachsenen benutzten Humor verstehen.
Die aufkeimende Beziehung der Mutter zu einer Frau wird für
den Leser nur von außen sichtbar gemacht. Da albern und kichern
die beiden Frauen miteinander und "quatschen, als ob sie sich
immer noch nicht alles erzählt hätten". Insgesamt
fehlt eine einfühlende Darstellung, welche dem Leser einen
nachhaltig reflektierenden Einstieg in die Situation ermöglichen
würde.
Das eigentliche Grundanliegen des Buches, ein behutsames Verständnis
für die lesbische Neigung seiner Mutter zu erwecken, kann die
Geschichte meines Erachtens nicht erfüllen. Zwar werden hin
und wieder in wörtlicher Rede, versteckte Bekenntnisse der
Mutter gestreut, welche Leander ihre Vorliebe verdeutlichen sollen.
Ebenso wie bei Leander selbst werden diese aber vermutlich auch
für Kinder nicht ausreichen, um ein Bewusstsein für die
vielschichtigen Beziehungsanforderungen zwischen (nicht nur) gleichgeschlechtlichen
Erwachsenen, anzuregen. Die Genderfrage bleibt leider eher in Klischees
hängen, ohne zu klären, warum sie dort angesiedelt wurden,
was meines Erachtens eher eine Gefahr, der Vertiefung solcher bedeutet.
Und so verfehlt das Buch seinen Anspruch, welchen zumindest ich
darin gesehen hatte. Die Geschichte bleibt eher belanglos und schafft
es nicht, durchaus aufgeworfene Fragen und Schwierigkeiten des jungen
Leanders auf einer mehrdimensionalen Ebene in kindgerechter Weise
zu reflektieren und damit als Orientierungshilfe für ein entstehendes
Genderbewusstsein zur Seite zu stehen.
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